Splitter aus übermütigen Stunden

 

Als ich 12 Jahre alt war

(Berlin, 1965)

 

Als ich 12 Jahre alt war schneite es.
Und da eine solche Zeit
zum Rodeln sehr günstig ist,
ging ich mit meinen Freunden vor die Tür,
um mit ihnen Schlitten zu fahren.
Wir hatten einen sehr schönen Schlitten,
und wir waren alle stolz auf ihn.
Dass er keine Kufen hatte
und ein wenig hinkte
übersahen wir,
denn erst später merkten wir,
dass es der ausrangierte Schreibtisch
unseres neu eingezogenen Nachbarn war.
Doch uns störte es nicht,
weil wir keine Zeit dazu hatten.
Denn schon ließ sich die liebe Sonne sehen.
Und als sie uns erblickte,
freute sie sich so sehr,
daß sie über's ganze Pflaumengesicht strahlte
und uns um's Herze rum
ganz lauwarm wurde.
Doch dem Schnee muss das garnicht gut bekommen sein,
denn er wurde popograu,
so dass er ganz und gar verkümmerte.
Doch für uns Stadtkinder
war das ein großes Erlebnis.
Auf einmal war der Schnee weg.
Er war ausgetreten,
denn viele Leute kamen her
und gingen hin.
Da hängten wir den Schlitten
und unsere Absicht
an den Nagel
und warteten gespannt
auf den Winter
im nächsten Jahr.

© 1965 johannes stephan wrobel - stephan castellio

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