Schulaufsatz (Klasse 6b, 7. Schuljahr)
Hausarbeit (freies Thema)
Pech in Eis und Schnee
(Berlin, 24. Januar 1967)
Der Wind pfiff eisig, und der Schnee fiel immer dichter. Ein Mann
stapfte durch den immer höher werdenden Schnee. Er hieß Hagel und kam
aus dem Tal.
Hagel keuchte. Er mußte vor Anbruch der Nacht die Almhütte erreichen.
Der Wind wurde immer heftiger, und Hagel glaubte, der Wind wollte seine
Kraft an ihm proben und alle Naturkräfte hätten sich gegen ihn
verschworen.
Plötzlich hörte es auf zu schneien. Hagel kam sich sehr verlassen vor,
denn es gab nichts als Schnee und nochmals Schnee. Er dachte daran, daß
er vielleicht nie wieder aus dieser Schneewüste herausfinden würde.
Schon so mancher Mutige wurde vom Schnee überrascht und mußte sein Leben
lassen. Diese Gedanken ließen Hagel erzittern. Er fing an zu traben, zu
laufen, und schließlich rannte er.
Als er gegen einen Baum lief kam er zur Besinnung. Mit steifen Händen
suchte er seinen Kompaß. Er zuckte zusamen – der Kompaß war nicht an
seiner gewohnten Stelle. Hastig suchte er sich ab. Nein, er war nicht
da! Schwache Erinnerungen wurden in ihm wach. Warum war er auch so
hochmütig und hatte geprahlt, er würde ganz allein den Berg bezwingen!
Hagel schimpfte. Er beschuldigte sich, die anderen und alles.
Hagel fror, er war ganz steif, und bald setzte auch der Hunger ein. Er
raffte sich auf, rannte und stürzte; keuchend erhob er sich wieder und
rannte weiter.
Es war nun schon Nacht geworden. Hagel war müde. Er hätte sich gern in
den Schnee geworfen und geschlafen. Doch er wußte auch, daß es sein Tod
sein würde. "Ach, nur ein wenig schlafen", hämmerte es in ihm. Aber er
rannte weiter.
Plötzlich verlor er den Boden unter seinen Füßen. Er rollte eine
Böschung hinunter und blieb auf einer Straße liegen. Schnell war er
wieder auf den Beinen. Es kam ihm alles so bekannt vor. Dann durchzuckte
ihn eine böse Ahnung. So ein Pech! Er war wieder im Tal angelangt. Hagel
war im Kreis gelaufen. Er hätte sich eigentlich freuen müssen, daß er
der weißen Hölle entronnen war. Nein, er nicht; es ärgerte ihn, daß er
einen ganzen Tag verloren hatte – und seine Ehre. Was würden seine
Freunde dazu sagen?
Als er das Dorf erreichte und in das Haus trat, waren seine Freunde
versammelt. Sie hatten sich große Sorgen gemacht als es auf dem Berge
geschneit hatte. Kein Wort fiel über sein Mißgeschick, und Hagel fand
sich damit ab, daß jeder Mensch einmal Pech hat.
© 1967 johannes stephan wrobel - stephan castellio
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